Wissenschaftler hält einen Lab-on-a-Chip

Leber-Chip zur Testung neuer Medikamente soll Tierversuche ersetzen

Seit Jahrzehnten wird die Sicherheit neuer Medikamente zunächst an Tieren getestet. Doch häufig sind die Ergebnisse nicht unmittelbar auf den Menschen übertragbar. Forscher haben jetzt eine künstliche „Mini-Leber“ mit menschlichen Zellen entwickelt, die Tierversuche zukünftig ersetzen soll.

Bevor neue Medikamente auf den Markt gebracht werden, muss die Sicherheit genau untersucht werden. Dafür werden meist zunächst Tierversuche an Ratten durchgeführt, die zeigen sollen, ob die Medikamente giftig sind und welche Nebenwirkungen mit der Einnahme verbunden sind. Viele Medikamente werden in der Leber abgebaut. Daher steht die Leber im Fokus der Untersuchungen zur Arzneimittelsicherheit.

Fragliche Übertragbarkeit

Obwohl die Organe und deren Funktion bei Tieren und Menschen durchaus vergleichbar sind, lassen sich die Ergebnisse von Tierversuchen nicht eins-zu-eins auf den Menschen übertragen. Der Stoffwechsel von Menschen und Tieren kann sich stark unterscheiden, wie das Beispiel Schokolade zeigt: Für Herrchen und Frauchen ein Genuss, ist sie für Hunde giftig. Nebenwirkungen, die bei Ratten und Hunden auftraten, kamen in einer Studie wiederum nur zu 71% ebenso beim Menschen vor. Für manche Organe ist die Übertragbarkeit der Ergebnisse noch schlechter. Dazu gehört auch die Leber.

„Organ-on-a-Chip“-Systeme als Alternative zu Tierversuchen?

Seit Jahren arbeiten Wissenschaftler an Alternativen zu Tierversuchen und hoffen damit, gleichzeitig den Tierschutz und die Patientensicherheit zu verbessern. Sogenannte „Organ-on-a-Chip“-Systeme sind kleine dreidimensionale „Mini-Organe“, die lebende Zellen eines bestimmten Organs enthalten. Ähnlich wie im Körper, arbeiten und kommunizieren die einzelnen Zellen miteinander. So kann man z.B. genau untersuchen, wie ein neues Medikament auf diese Zellen wirkt.

Einem internationalen Forscherteam ist es jetzt gelungen, einen „Leber-Chip“ zu entwickeln, jeweils mit Leberzellen von Ratten, Hunden oder Menschen. Tests mit verschiedenen Wirkstoffen zeigten, dass die menschlichen Zellen der „Leber-Chips“ anders reagierten als die von Ratte oder Hund. Durch genaue Beobachtung der Zellreaktionen konnten Wissenschaftler Nebenwirkungen voraussagen, die normalerweise erst viel später in klinischen Studien mit vielen Testpersonen beobachtet werden.

Auch wenn die Wissenschaftler selbst noch einige Probleme mit dem Chip einräumen, könnte er in Zukunft für Untersuchungen der Arzneimittelsicherheit von Bedeutung sein. Außerdem könnte der Chip auch zu einem genaueren Verständnis der Vorgänge in der Leber beitragen und dadurch zukünftig die Diagnose und Therapie von Leberkrankheiten verbessern.

Quelle

Jang KJ et al. Reproducing human and cross-species drug toxicities using a Liver-Chip. Science Translational Medicine 2019;11(517): eaax5516 DOI: 10.1126/scitranslmed.aax5516

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